1) Amtsgericht
Das Amtsgericht ist Teil des des Rechtsstaates. „Die verfassungsmäßige Bindung durch Recht und Gesetz legitimiert das Handeln einer Regierung, Gesetzgebung oder Verwaltung und schützt vor staatlicher Willkür. Das Prinzip des Rechtsstaats zielt damit auf Maßhaltung bei allem staatlichen Handeln ab, verhilft aber gleichzeitig dazu, im Rahmen der Verfassung gesetzte Staatsziele zu verwirklichen.“ (Wikipedia).
Ein Beispiel ist das Dublin-Verfahren: „Auf den ersten Blick scheint es einfach und eindeutig: Artikel 16a des Grundgesetzes gewährt politisch Verfolgten Asyl. Dies gilt nach Absatz 2 aber ausdrücklich nicht für diejenigen, die aus einem so genannten “sicheren Drittstaat” nach Deutschland einreisen. Rund herum um Deutschland gibt es nur sichere Drittstaaten, so dass Flüchtlinge, die auf dem Landweg nach Deutschland kommen, nach Artikel 16a GG eigentlich kein Anrecht auf Asyl haben.“ (Tagesschau: https://www.tagesschau.de/inland/faq-dublin-101.html)
Auf dieser Grundlage entscheiden Gerichte und geben den gerichtlichen Rahmen, dass Menschen nach Italien oder Griechenland abgeschoben werden, obwohl zum Beispiel in Deutschland ihre Familie lebt. Die Gerichte prüfen nicht, ob durch das Dublin-Abkommen faktisch das Asylrecht abgeschafft wurde und sie prüfen auch nicht, ob es unerträglich ist, dass beschlossen wurde, dass Griechenland und Italien alle Flüchtlinge aufnehmen soll.
Das Amtsgericht entscheidet z.B auch., dass es rechtens ist, wenn Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eingeschränkt werden oder dass die Leistungen auf (Sach-)Leistungen reduziert werden. Begründung ist fehlende Mitwirkungspflicht bei der Identitätsfeststellung auch dann, wenn bei der Identitätsfeststellung die sofortige Abschiebung erfolgt. Anders ausgedrückt: es wird erwartet, dass ein Pass besorgt wird, damit die Abschiebung in das Land, aus dem der Mensch fliehen musste, durchgeführt werden kann. Diese Abschiebung wird dem Menschen dann auch noch in Rechnung gestellt.
Das Rechtssystem in Deutschland gilt strukturell nur eingeschränkt für Menschen, die fliehen:
• Briefe sind in einer Sprache geschrieben, die nicht verstanden wird. Es werden kurze Fristen für Widerspruch oder Klage vorgeschrieben, die auf Grund von Verständnisbarrieren nicht eingehalten werden können.
• Geflüchtete Menschen leben oft in Lager und haben so nur eingeschränkt Zugang zu unabhängigen Unterstützungssystemen. Der Kontakt zur Zivilgesellschaft wird eingeschränkt.
• Eine Rechtsberatung ist auf Grund mangelnder finanzieller Möglichkeiten nicht möglich.
• Die Erstellung von Gutachten über gesundheitliche Gründe als Abschiebehindernisse scheitern an den Kosten. Die nicht übernommen werden und an mangelnden Ressourcen bei zum Beispiel Psycholog*innen.
• Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehen in den meisten Fällen keine aufschiebende Wirkung vor. Das heißt, dass Abschiebungen durchgeführt werden, obwohl gegen den Verwaltungsakt Rechtsmittel eingelegt wurden.
• Grundsätzliche Klagen beim Bundesverwaltungsgericht werden über Jahre nicht bearbeitet und entschieden.
Es entsteht der Eindruck, dass nicht alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind.
2) Afghanistan
Zur Verantwortung der NATO für die Situation in Afghanistan eine Beschreibung der Bundeszentrale für politische Bildung vom Juni 2021:
„Die Nato und ihre Partner werden Afghanistan nach rund 20 Jahren verlassen. Mitte April 2021 beschloss der NATO-Rat das Ende des Einsatzes am Hindukusch, kurz darauf begann das Militärbündnis mit dem Abzug der stationierten Truppen. Spätestens bis zum 11. September 2021, dem 20. Jahrestag der Terroranschläge auf das World Trade Center und das Pentagon, sollen alle internationalen Truppen das Land verlassen haben.
Viele Beobachterinnen und Beobachter bewerten den internationalen Einsatz am Hindukusch als Fehlschlag und sehen die Strategie eines militärisch gestützten Aufbaus demokratischer Staatlichkeit als gescheitert an. Die afghanische Regierung von Präsident Aschraf Ghani ist zerstritten, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme belasten das Land schwer. Weite Teile der afghanischen Bevölkerung leben noch immer in Armut.
Die Taliban kontrollieren heute wieder erhebliche Teile Afghanistans. Die Sicherheitslage ist schlecht. Laut den Vereinten Nationen wurden allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres durch die verschiedenen Konfliktparteien 573 Zivilistinnen und Zivilisten getötet und mehr als 1.200 verletzt. Die UN erhebt diese Zahlen seit 2009. Seitdem sind über 39.000 Menschen aus der Zivilbevölkerung getötet und über 73.500 verletzt worden.“
Quelle: https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/334345/nach-20-jahren-nato-truppenabzug-aus-afghanistan/
Kurz zusammengefasst: Die Nato hat ein zerstörtes Land mit 39.000 getöteten Menschen aus der Zivilbevölkerung hinterlassen. Die Machtübernahme der Taliban ist eine Folge des Krieges. Die Taliban bedrohen Menschen, die mit den NATO-Staaten zusammen gearbeitet haben. Menschen müssen fliehen.
„Am 17.10.22 hat das Auswärtige Amt über das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP AFG) informiert. (Sechs Wochen danach) Bis heute (Anmerkung Seebrücke) ist noch nicht spürbar etwas geschehen. Die Webseite enthält leider nach wie vor nur allgemeine Informationen. Wie alle Geflüchtetenorganisationen kritisieren, fehlt es an Transparenz. Wünschenswert wäre zumindest zu erfahren, wo man die nächste „meldeberechtigte Stelle“ finden kann. Der Webseite ist zu entnehmen, für wen das Aufnahmeprogramm nicht in Frage kommt: Ortskräfte und Familienangehörige, die im Rahmen des Familiennachzugs einen Anspruch auf Einreise hätten.
…
Weder die Machtergreifung durch die Taliban noch der im Koalitionsvertrag angekündigte Paradigmenwechsel haben zu einer Verbesserung in der Praxis des Familiennachzugs aus Afghanistan geführt.“
Quelle: https://www.fluechtlingshilfe-paderborn.de/Newsletter/November-2022.html
„Über ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban müssen viele Betroffene, die in Afghanistan auf ein Visum warten, Verfolgung durch die neuen Machthaber befürchten.
Zu den größten Hindernissen für einen erfolgreichen Familiennachzug zählen:
• lange Wartezeiten auf einen ersten Vorsprachetermin, um ein Visum zum Familiennachzug zu beantragen,
• vielfach fehlende Möglichkeiten, die zuständigen deutschen Auslandsvertretungen legal zu erreichen,
• schwer zu findende, missverständliche und uneinheitliche Darstellung der Verfahrensabläufe bei den deutschen Auslandsvertretungen,
• Unklarheiten bezüglich der Dokumentenbeschaffung unter den Taliban.
Unter den gegebenen Umständen besteht für viele betroffene Familien wenig Hoffnung , dass sie in absehbarer Zeit sich mit ihren Familien in Deutschland vereint werden leben können.“
Quelle: https://www.drk-suchdienst.de/informationen-und-hintergruende/newsletter/2023/newsletter-ausgabe-1-februar-2023/besonderheiten-beim-familiennachzug-aus-afghanistan/
Die Menschen versuchen über andere Wege aus dem Land zu fliehen und viele sterben auf ihrer Flucht.
„Das Schiff war voller Kinder. Ein Zwölfjähriger aus Afghanistan verlor neun Familienangehörige, die mit ihm an Bord waren: die Eltern, vier Geschwister und drei weitere Angehörige. Bisher wurden 16 Kinder gefunden.
Die meisten der Opfer kamen aus Afghanistan. Wie auch die Fotografin Torpekai Amarkhel, die in Afghanistan auch für die UNO gearbeitet hatte und nach der Machtergreifung der Taliban fliehen musste. Ihre Schwester war aus den Niederlanden angereist, um sie in Kalabrien in Empfang zu nehmen. “Ich bin nach Crotone gekommen, um sie abzuholen, mit Spielzeug für die Kleinen, aber jetzt sind sie alle tot.”“
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/KR70M6-hiess-Akef-und-wurde-fuenf-Jahre-alt-article23966676.html
Es ist zynisch von Außenministerin Baerbock, die Verantwortung für die Toten bei anderen zu suchen und gleichzeitig das Bundesaufnahmeprogramm nicht umzusetzen.
„Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat eine neue EU-Seenotrettungsmission im Mittelmeer gefordert. “Wir brauchen gemeinsame Verantwortung und müssen die Solidarität stärken. Darum ist es aus meiner Sicht so wichtig, dass es eine europäische Seenotrettung gibt”, sagte Baerbock der “Welt”. Das Sterben im Mittelmeer sei Europas offene Wunde, “weil wir es nicht geschafft haben, zu einer gemeinsamen Migrations- und Flüchtlingspolitik zu kommen”, erklärte sie.“
Quelle: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/seenotrettung-baerbock-fordert-neue-eu-mission-im-mittelmeer,TZ29WJT
Die Forderung von der Seebrücke Paderborn lautet:“Sichere Fluchtwege schaffen“ und „Die Mitverantwortung für die Toten im Mittelmeer übernehmen“.
3) Abschiebeknast Büren
In Büren (UfA Büren, Stöckerbusch 1, 33142 Büren) ist der größte Abschiebeknast Deutschlands mit 140 Plätzen.
„Abschiebehaft bedeutet, dass eine Ausländerbehörde oder die Bundespolizei einem Menschen
bis zu seiner Abschiebung monatelang die Freiheit entziehen kann.
Der einzige Grund dafür ist, dass der Behörde die Durchführung der Abschiebung damit erleichtert werden soll. Es handelt sich bei Abschiebehaft also nicht um eine Strafe sondern „nur“ um eine Sicherungsmaßnahme. Dennoch wird der oder die Betroffene in einem speziellen Abschiebegefängnis (wie in Büren) oder in Polizeigewahrsam hinter Gittern untergebracht.
Abschiebehaft ist ein großes Unrecht in Deutschland.
• Es ist völlig unverhältnismäßig, einem Menschen das Grundrecht auf Freiheit zu entziehen, nur um einen Verwaltungsakt wie die Abschiebung einfacher durchführen zu können.
• Für Abschiebehaft reicht ein „begründeter Verdacht“ aus, dass jemand sich möglicherweise seiner Abschiebung entzieht. In der Praxis gibt es immer wieder absurde und falsche Begründungen für Abschiebehaft: Zum Beispiel konnten wir als Begründung für die Inhaftierung lesen, der Betroffene habe ausgesagt, dass er nicht in sein Herkunftsland zurück möchte.
• Abschiebehäftlinge müssen für ihre Haftkosten auch noch selbst bezahlen!
• Viele Flüchtlinge leiden in Abschiebehaft unter Angst und Depressionen: Ihre Zukunft ist völlig unsicher – sie wissen nicht wann sie abgeschoben werden, was sie im Herkunftsland erwartet oder ob sie vielleicht doch noch bleiben können. Immer wieder kommen Selbsttötungen vor.
• Die Dauer der Abschiebehaft ist willkürlich, denn sie hängt allein davon ab wie lange die deutschen Behörden und die Behörden des Herkunftslandes brauchen, um Ersatzpapiere und die Abschiebung selbst zu organisieren.
• Eine Dauer von 3 Monaten oder mehr ist bei bestimmten Herkunftsländern die Regel, wenn erst noch ein Passersatzpapier besorgt werden muss!
• Maximal kann Abschiebehaft sogar bis zu 1½ Jahre lang angeordnet werden, wenn der oder die Betroffene angeblich oder tatsächlich seine/ihre Abschiebung verhindert.
• Flüchtlinge müssen inzwischen teilweise im Abschiebegefängnis auf die Entscheidung über ihren Asylantrag warten. Andere werden in Abschiebehaft genommen, um sie innerhalb Europas von einem Land in ein anderes zu transportieren.“
Quelle: https://www.gegenabschiebehaft.de/hfmia/index.php?id=45
Jedes Jahr am 30. August gibt es eine Mahnwache vor dem Abschiebegefängnis:
„Seit 1999 erinnert der Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. an Rachid Sbaai und alle anderen Menschen, in Abschiebehaft ihr Leben lassen mussten. …
Am 30.8.1999 verstarb Rachid Sbaai in einer Isolationszelle der Abschiebehaft Büren. Ursache war ein Brand, die genauen Umstände sind bis heute nicht aufgeklärt. Sein Tod reiht sich ein in eine Vielzahl von Opfern der deutschen Abschiebemaschinerie. Mindestens vier Menschen haben allein in dem Abschiebegefängnis in Büren ihre Haftzeit nicht überlebt.“
Quelle: http://www.aha-bueren.de/